Mehr als jede zehnte Mutter erkrankt nach der Geburt ihres Kindes an einer postpartalen Depression. Die Betroffenen können keine positiven Gefühle für ihr Kind empfinden, sind emotional labil und quälen sich mit Ängsten, Zwangsgedanken und der Überzeugung, eine schlechte Mutter zu sein. Im schlimmsten Fall können die Betroffenen sich selbst oder ihrem Kind Schaden zufügen. Als Risikofaktoren für eine postpartale Depression sind das Alter der Mutter bei der Geburt, Diabetes und psychische Probleme in der Vorgeschichte bekannt. Doch was genau die biologische Ursache für die sogenannte Wochenbettdepression ist, stellte Wissenschaftler bisher vor ein Rätsel. Nun könnte der Forschung ein Durchbruch gelingen.
Es gibt Hinweise darauf, dass eine bisher unbeachtet biologische Komponente eine entscheidende Rolle spielt: Die Beeinträchtigung der Fähigkeit des Körpers, altes genetisches Material und andere Zellüberreste zu entsorgen. Die sogenannte Autophagie.

Methode:

Jennifer L. Payne, Direktorin des Forschungsprogramms für Reproduktionspsychiatrie an der University of Virginia School of Medicine, und ihr Team untersuchten Blutplasmaproben von 14 Frauen, die ihnen während der Schwangerschaft entnommen worden waren. Nach der Geburt der Kinder erkrankten einige der Frauen an einer postpartalen Depression, andere nicht.

Ergebnis:

Auffällig war, dass sich die Blutproben hinsichtlich der eRNA-Kommunikation* der Immunzellen der Frauen mit postpartaler Depression deutlich von denen der nicht erkrankten Probandinnen unterschieden. Außerdem stellten die Wissenschaftler
signifikante und konsistente Störungen der Autophagie in den Zellen der erkrankten Mütter fest. Bei der Autophagie handelt es sich um einen wichtigen zellulären Aufräumprozess (= Zellreinigung), durch den der Körper alte und krankhafte Proteine und andere Zellbestandteile abbaut und anderweitig verwertet.

„Man nimmt an, dass Defizite in der Autophagie die Ursache für toxische Prozesse sind, die zu den mit der Depression verbundenen Veränderungen im Gehirn und im Körper führen können“, sagt Payne. „Bisher gab es kein umfassendes Verständnis der biologischen Grundlagen der postpartalen Depression. Unsere Studie bringt uns diesem Verständnis einen Schritt näher.“

Wesentlich an den im Rahmen der Studie gewonnenen Erkenntnissen ist vor allem die Tatsache, dass eine verminderte Autophagie bereits vor dem Auftreten von Depressionssymptomen vorliegt. Möglicherweise ist dies Teil des Krankheitsprozesses
und eröffnet neue Wege der Behandlung, insbesondere mit dem Naturstoff und Autophagie-Aktivator Spermidin, der beispielsweise in Weizenkeimen natürlich vorkommt.

Es ist wichtig, sowohl die betroffenen Mütter als auch ihr Umfeld für die Krankheit zu sensibilisieren. Eine Wochenbettdepression ist kein persönliches Versagen oder ein Zeichen dafür, dass eine Frau eine schlechte Mutter ist oder ihr Kind nicht liebt. Sie ist eine gut behandelbare Krankheit, der man heute sogar vorbeugen kann.

 

*Kommunikation zwischen den Zellen mittels extrazellulärer RNA (eRNA) – also RNA, die sich außerhalb der Zellen befindet.

 

Referenzen:
1. Osborne LM, Payne JL, Sherer ML, Sabunciyan S. Altered extracellular mRNA communication in postpartum depression is associated with decreased
autophagy. Mol Psychiatry. 2022;27(11):4526-4535. doi:10.1038/s41380-022-01794-2
2. Jennifer L. Payne, MD and Collaborators Discover Potential Biological Cause for Postpartum Depression – Research – Medicine in Motion News (virginia.
edu) (09.01.2024, 8:20 Uhr)