Eine kurze Geschichte der bedeutendsten Errungenschaften der Altersforschung (im 21. Jahrhundert)

Eine Super-Pille, die das Altern aufhalten kann, gibt es noch nicht, aber…

Schon zweimal konnte die Altersforschung bisher punkten:

Das erste Mal mit der Entdeckung der Telomere, also den Enden der Chromosomen, und wie sie sich verlängern.

Und das zweite Mal mit der Entdeckung der Autophagie: dem Prozess, der den Zellen hilft, Hunger, Stress und Keimbefall zu überleben. Die Entdeckungen waren jeweils einen Nobelpreis für Medizin wert, und zwar 2009 und 2016.

2013 folgte dann die Definition der Hallmarks of Aging. Insgesamt neun Erkennungsmerkmale des Alterns wurden erstmals zusammengenommen beschrieben. Sie sind Störungen oder Veränderungen im Körper, die den Alterungsprozess vorantreiben.

Es ist weder gesund, dass sich seneszente Zellen (sogenannte Zombie-Zellen) im Körper anreichern und ihn schädigen, noch, dass dem Körper die Stammzellen (sozusagen das Ersatzteillager) ausgehen oder sich die DNA maßgeblich verändert. Nur um drei der neun Merkmale als Beispiele zu nennen.

Und dann, 2019, die neuste Errungenschaft:

Dr. David Sinclair, Prof. für Genetik an der Harvard Medical School in Boston/USA und weltweit anerkannter Experte der Altersforschung, stellte die Hypothese auf, dass die neun Hallmarks of Aging auf eine einzige Ursache reduziert werden können: Informationsverlust in den Zellen.

Seine Information Theory of Aging löst die bisher vorherrschende Free Radical Theory of Aging ab. Sie besagt in Kürze:

Informationen der Zelle sind auf zwei Arten gespeichert:

  1. Die digitale Information, also das Genom als ein großartiger, sehr robuster Speicher. Die DNA ist ein digitaler Code. Nicht binär, wie ein Computer arbeitet mit Nullen und Einsen. Der genetische Code ist ternär, also verwendet die vier Basen Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G) und Cytosin (C). Seine Robustheit ist tatsächlich eine recht neue Entdeckung: Früher dachte man, es ist die digitale Information, die verloren geht, sprich: Mutationen in der DNA treiben das Altern voran. Heute weiß man, dass das nicht stimmt.
  1. Die analoge Information ist die, die verloren geht! Das Epigenom ist diese analoge Information. Sie entspricht der Struktur beziehungsweise der Packung der DNA in der Zelle. Sie codiert in der Zelle die Information, welche Gene abgelesen, während andere ausgeschaltet bleiben sollen.

Die analoge Information ist die erste Information, die verloren geht. Schlägt die epigenetische Regulation fehl, verliert die Zelle ihre Identität und damit Funktionalität. Nach Sinclair ist das die grundlegende Ursache des Alterns.

Er veranschaulicht seine Theorie gerne anhand einer CD-Metapher: Die Musik ist das Genom. Die CD an sich ist das Epigenom, also der analoge Speicher. Mit der Zeit bekommt die CD-Kratzer. Die Musik kann nicht mehr einwandfrei abgespielt werden. Die CD springt. In dieser Analogie gesprochen, liest die Zelle nicht mehr die richtigen Lieder = die richtigen Gene, zur richtigen Zeit ab und verliert ihre Identität. Eine Nervenzelle denkt plötzlich, sie wäre eine Hautzelle, oder sie verhält sich wie eine Leberzelle. Das Herz-Kreislauf-System vergisst, wie ein Herz-Kreislauf-System funktionieren sollte. Der Altersprozess ist im vollen Gange.

Wäre es nicht fantastisch, die Kratzer wieder entfernt zu könnten? Sinclairs neueste Forschungsergebnisse zeigen erstmals, dass das geht. Es besteht eine Sicherheitskopie, man kann die CD, die Zelle, polieren!

Sinclairs Discory of a Lifetime

Durch eine spezielle Gen-Therapie konnten die Wissenschaftler rund um Sinclair alten Mäusen, die aufgrund ihres Alters nicht mehr sehen konnten, das Sehvermögen wieder schenken. Sie re-programmierten die gealterten epigenetischen Informationen zurück zu jungen Strukturen. Sie stellten so die Informationen wieder her.

Die englische Original-Publikation finden Sie hier: https://www.nature.com/articles/s41586-020-2975-4

Was bedeutet dies für uns?

Da so schnell keine Gen-Therapie am Menschen möglich sein wird bzw. es weitere Zeit und intensive Forschung benötigt, eine Gen-Therapie sicher auf den Menschen zu übertragen, gibt es laut Sinclair nichtsdestotrotz Dinge, die man jetzt bereits tun kann, um die eigene epigenetische Information zu schützen und damit die gesunde Lebenszeit auf natürliche Weise zu verlängern. Diese sind:

  1. Essen Sie weniger als drei Mahlzeiten am Tag
  2. Kommen Sie durch Bewegung aus der Puste
  3. Schaffen Sie sich einen Stehtisch an
  4. Machen Sie Hüftgelenksbewegungen
  5. Prüfen Sie Ihre biomedizinischen Parameter (wie Blutzuckerspiegel etc.)
  6. Schlafen Sie gut und reduzieren Sie Stress
  7. Lügen Sie nie

 

Quelle: “Lifespan: Why We Age – and Why We Don’t Have To” von Prof. Dr. David A. Sinclair, 2019.